Von der Krönung ihrer Karriere zu sprechen, wäre übertrieben. Mit neun WM- und drei Olympiateilnahmen, aus denen je eine Medaille resultierte, hat die Karriere von Eishockey-Urgestein Julia Marty eine Krönung eigentlich gar nicht mehr nötig. Dennoch markiert die letzte Saison einen weiteren Meilenstein in der Laufbahn der 37-Jährigen: Mit dem SC Bern wurde sie Schweizermeisterin – genau 20 Jahre nach ihrem letzten Titel mit dem EV Zug notabene.
Parallel zur triumphalen Meistersaison schliesst die Verteidigerin derzeit den CAS in Sportmanagement an der Uni St. Gallen ab, arbeitet da auch als Sportlehrerin. Denn Marty war schon immer mehr als «nur» eine Eishockeyspielerin. Schon früh interessierte sie sich für das Training neben dem Eis, für die Fitness und Athletik im Eishockey. Bei den ZSC Lions Frauen kombiniert sie seit der Saison 2025/26 beide Leidenschaften: Als aktive Spielerin wird sie nicht nur erfahrene Teamstütze, sondern leitet daneben auch das Off-Ice-Training der ersten Mannschaft. Es soll ein langfristiges Engagement werden, meint Sportchefin Christine Meier: «Bei Julia gehen die Überlegungen über die Aktivkarriere hinaus. Wir möchten sie und ihr enormes Fraueneishockey-Wissen langfristig in der Organisation behalten, um die Frauen-Abteilung der Lions gemeinsam weiterentwickeln zu können.»
«Von derart professionellen Bedingungen habe ich immer geträumt»
Auf die Frage, warum sie im Spätherbst ihrer Karriere noch einmal einen Klubwechsel wage, kommt Marty ob den Bedingungen in Zürich ins Schwärmen: «Ich wusste, was für hervorragende Strukturen ich hier antreffen würde. Von derart professionellen Bedingungen habe ich als junge Hockeyspielerin immer geträumt. Da musste ich nicht lange überlegen.» Ähnliches hatte sie bislang nur bei ihren Auslandaufenthalten erlebt: «In den USA und Schweden hatte ich täglich die Möglichkeit, auf dem Eis zu trainieren, daneben profitierte ich von modernen Fitnessanlagen und bestens ausgebildeten Coaches – das hat mich sportlich enorm weitergebracht. In der Schweiz bewegen wir uns nun endlich auch in die richtige Richtung», so Marty.
Die gebürtige Aargauerin freut sich nun, ihren enormen Erfahrungsschatz mit nach Zürich zu bringen und das sehr junge Team kontinuierlich weiterzuentwickeln – auf und neben dem Eis. «Auf dem Eis werde ich versuchen, in den entscheidenden Situationen möglichst viel Ruhe auszustrahlen. Denn eines habe ich über all die Jahre gelernt: Wenn’s mal brennt, darfst du keinesfalls in Panik verfallen. Sondern zuerst mal durchatmen und dich dann Schritt für Schritt aus der Situation herausmanövrieren.»
Neue Rolle birgt auch Konfliktpotenzial
Die Kombination aus Teamkollegin und Coach bezeichnet Marty als «spannende Herausforderung». Eine, die durchaus auch Konfliktpotenzial birgt, sind die Coaches, die die Spielerinnen im Kraftraum quälen, doch nicht immer die beliebtesten bei den Spielerinnen. Steht man anschliessend als Linienpartnerinnen wieder gemeinsam auf dem Eis, ist das eine durchaus spezielle Konstellation. «Es braucht gegenseitiges Vertrauen und klare Absprachen. Zum Glück hilft das Team enorm mit, und wir haben eine tolle Chemie. «Es spielt mir ausserdem in die Karten, dass wir einige erfahrene Spielerinnen im Kader haben, die mich unterstützen. So klappt es bisher sehr gut mit meiner Doppelrolle, ich spüre die Akzeptanz und das Vertrauen meiner Teamkolleginnen.»
Geduld und Beharrlichkeit auf dem Weg nach oben
Als Vorreiterin in ihrer Sportart möchte Julia Marty mit ihrem Engagement in Zürich nicht nur die Lions-Organisation voranbringen, sondern auch dafür sorgen, dass das Fraueneishockey an sich Schritt für Schritt weiterkommt. «Bei den Lions habe ich die grosse Chance, über meine Aktivkarriere hinaus zusammen mit einem hervorragenden Team und professionellen Strukturen die Basis für nachhaltigen Erfolg zu legen – nicht nur für die Lions, sondern für das Schweizer Frauenhockey insgesamt.» Dabei weiss sie, dass der Weg nach oben Geduld und Beharrlichkeit verlangt: «Wichtig ist vor allem, dass der Leistungssport auf eine breite Basis abgestützt ist. Das bedeutet, dass wir möglichst viele Mädchen fürs Eishockey begeistern müssen. Nur so gibt es Konkurrenzkampf und das Leistungsprinzip kommt zum Tragen. Hier wollen wir Jahr für Jahr besser werden.»
Eines scheint schon zu Beginn der neuen Saison klar: Mit der Verpflichtung von Julia Marty hat Sportchefin Christine Meier den ganz grossen Coup gelandet. Die Mission: Die Löwinnen sollen sportlich wachsen und sich gleichzeitig in einem Umfeld bewegen, in dem Athletinnen optimal gefördert werden. Ausserdem möchte die Verteidigerin natürlich auch den Erfolg mit nach Zürich bringen. «Der Kader von Bern oder Zug ist wohl noch etwas stärker einzuschätzen als unserer. Wir werden uns aber ganz sicher nicht verstecken und alles daransetzen, den vermeintlichen Favoritinnen das Leben schwer zu machen», so Marty.
Auf eines kann sich die Neu-Löwin verlassen: Wenn sie aufs Eis fährt, werden ihre Teamkolleginnen körperlich hervorragend in Form sein. Dafür hat sie während der Sommermonate gleich selbst gesorgt. Und wer weiss, vielleicht fügt sie ihrer grossartigen Karriere noch ein weiteres Highlight hinzu.