Champions Hockey League (CHL) und die ZSC Lions? Da läuten doch die Glocken. Aber natürlich: Die Zürcher stürmten in der Saison 2008/09 zum Titel und schufen eine der grössten Sensationen im europäischen Eishockey. Was den Triumph so speziell machte, war die Tatsache, dass damals die Top-Klubs aus der russischen KHL an der CHL teilnahmen. Und dass der ZSC seine Heimspiele im Halbfinal und Final im Rapperswiler Exil austragen musste.
So überraschend der Erfolg des Schweizer Meisters ausfiel, so minutiös war er von den Klub-Verantwortlichen geplant worden. Von der Chefetage (mit CEO Peter Zahner) bis zum Sportchef (Peter Iten) und zum Materialwart (Peter «Schräge» Schrag) und natürlich den Profis hatten alle grossen Anteil am Erfolg. Severin Blindenbacher, heute 42-jährig und Geschäftsführer einer Hauswartungs- und Gartenbaufirma, windet besonders dem Trainer-Duo Sean Simpson/Colin Muller ein Kränzchen: «Die beiden Coaches haben die Kampagne minutiös geplant, uns Spieler in jeder Beziehung glänzend auf diese Aufgabe vorbereitet.» In der Tat überraschte der Schweizer Champion die Konkurrenz aus Schweden, Tschechien, Finnland und Russland mit seiner variablen Taktik.
Tempo, Homogenität – und Sulander
Es gab weitere wichtige Faktoren, die zu den Trümpfen der ZSC Lions gehörten: Sie überzeugten mit ihrer mannschaftlichen Geschlossenheit sowie im Box- und Powerplay, sie legten ein horrendes Tempo vor – und sie hatten eine (finnische) Wand im Tor. Blindenbacher formuliert es ganz simpel so: «Und wir hatten Sulo.» An Ari «Sulo» Sulander verzweifelten die Gegner immer wieder, einzig Jaroslav Bednar, der gewiefte Stürmer von Slavia Prag, schaffte es im Penaltykrimi im Hallenstadion den routinierten Finnen insgesamt fünfmal zu düpieren. Das 4:5 nach Shootout am 29. Oktober 2008 sollte die einzige Niederlage des ZSC, der ohne den verletzten Blindenbacher antrat, im Wettbewerb bleiben.
Blindenbacher erwähnt, wie gut das Kader zusammengestellt worden war. «Neben Sulo hatten wir starke ausländische Feldspieler, die sich ganz in den Dienst der Mannschaft stellten. Wir verfügten über ein Team, das einen guten Mix zwischen Alt und Jung, zwischen Erfahrung und jugendlicher Dynamik präsentierte.» Überdies sei der Kern der Mannschaft im besten Eishockeyalter gewesen.
Die Symbiose mit den Fans
Die Löwen starteten als Aussenseiter in Linköping und fegten die favorisierten Schweden mit 7:2 vom Eis. «Ob sie uns unterschätzten, weiss ich nicht. Auf jeden Fall spielten wir hervorragend.» Es folgten weitere überzeugende Darbietungen auf dem Eis. «Jeder von uns konnte seine beste Leistung abrufen. Wir spielten uns damals in eine Euphorie.»
Dass der Nationalspieler und seine Teamkollegen den Fokus behielten, lag nicht zuletzt daran, dass die CHL in dieser Form etwas völlig Neues, Abenteuerliches war. Dazu gehörten die Trips nach Linköping, Helsinki, Prag oder Magnitogorsk. Woran sich «Blindi», wie er von den Supportern genannt wurde, besonders erinnert, waren die Begegnungen mit den Fans. «Mehrere hundert Supporter reisten mit uns mit. Nach den Spielen feierten wir mit ihnen.» Der Verteidiger vergisst nicht, wie der seriöse Simpson seine strengen Fesseln in Sachen Ausgang auch mal schleifen liess. «Sean hatte grosses Vertrauen in uns, und wir enttäuschten ihn nicht.» Bei den Auswärtsspielen sorgte der Chef dafür, dass sein Personal, das zuvor auf dem Eis seine Aufgabe mehr als erledigt hatte, im Hotel ausschlafen konnte.
Amüsant ging es offenbar nach dem 4:1-Sieg bei den Espoo Blues zu. Sulander erlebte seinen 40. Geburtstag, was in seinem Haus in einem Vorort von Helsinki gebührend gefeiert wurde – wohl nicht nur mit Coca-Cola zero. Die Gattin des Torhüters habe ihren hungrigen Gästen finnische Würste serviert, erinnert sich Blindenbacher schmunzelnd.
Höhepunkte der Zürcher CHL-Kampagne waren die Finals gegen die Stars aus Magnitogorsk. Nach dem 2:2 im Ural setzten sich Simpsons Männer am 28. Januar 2009 im Hexenkessel im Lido mit 5:0 durch. Die ZSC Lions schrieben Sportgeschichte. Die Kasse der Löwen erhielt einen Zustupf von fast zwei Millionen Franken – ein Betrag, der noch höher ausgefallen wäre, wenn das Hallenstadion nicht wegen Umbauarbeiten besetzt gewesen wäre. Sulander wurde zum MVP gewählt, Jean-Guy Trudel und Adi Wichser etablierten sich als beste Skorer.
Nach dem europäischen Siegeszug wurden die Zürcher im ganzen Land mit offenen Armen empfangen. Doch bereits Wochen später schieden sie im Playoff-Viertelfinal mit 0:4 gegen Fribourg aus. «Die Luft war draussen», weiss Blindenbacher. «Aber eigentlich hat uns das niemand übelgenommen.» Zu sehr hallte der Triumph in der Champions Hockey League nach.